Trekking mit Hund – Unterwegs auf dem südlichen Kungsleden in Schweden.

Die Aussicht darauf, im sauer verdienten Jahresurlaub 180km zu Wandern, dabei einen schweren Trekkingrucksack zu buckeln, in sumpfigen Böden nasse Füße zu bekommen und die Nächte auf mehr oder minder bequemen Isomatten zu verbringen, ringt vielen Menschen in unserem Umfeld ein verständnisloses Kopfschütteln ab. Wie soll das bloß Urlaub sein? Wo bleibt da die Erholung?

Es stimmt. Wenn man körperliche Entspannung sucht, ist ein Spa oder ein schöner Sandstrand sicher die bessere Wahl. Was meinen Lebensgefährten René und mich seit mehreren Jahren immer wieder die Wanderschuhe schnüren und die Trekkingrucksäcke packen lässt, ist auch eher mit den Worten „Urlaub für den Kopf“ zu erklären. Während wir bei wechselnden Wetterverhältnissen lange Strecken durch weitgehend menschenleere Gegenden laufen und aus dem Rucksack leben, spielen schnell nur noch die grundsätzlichen Bedürfnisse eine Rolle. Und das hat einen besonderen, erholsamen Effekt auf unseren doch oft überreizten Geist, den ich zwar schlecht in Worte zu fassen vermag, den aber sicher jeder Trekkingbegeisterte bestätigen kann. Und dann klingt da immer noch dieser Spruch in mir nach, den ich vor einiger Zeit mal irgendwo aufgeschnappt habe: Magie beginnt dort, wo unsere Komfortzone aufhört.

Wenn ich nun versuchen werde, euch von der „Magie“ unseres Kungsleden-Trekkings mit Hund zu erzählen, dann sollte ich sicher eine kurze Vorstellung dieses Hundes vorwegschicken, der uns auf den 180 Kilometern begleitet hat – und uns hoffentlich auch weiterhin noch sehr, sehr lange in unserem Leben begleiten wird.

Ein Freigeist zieht bei uns ein.

Als wir Hannah, die Husky-Mix-Hündin mit den lustigen Fledermausohren, vor ungefähr 1,5 Jahren aus der Hunde-Gruppenhaltung eines Tierschutzvereins in unserer Umgebung übernommen haben, war sie zuvor bereits ein paar Monate lang an eine andere Familie vermittelt gewesen, die sie jedoch aus uns nicht bekannten Gründen wieder ins Tierheim zurückgegeben haben. Sie war von Anfang an ein aufgeschlossener, verschmuster und manchmal alberner Hund. In ihrem Verhalten schlagen die Huskygene sehr durch und uns war von Vornherein bewusst, dass wir es mit einem Hund zu tun haben, der für das Wort „Kadavergehorsam“ nur ein müdes Lächeln übrig hat. Jedoch mussten mein Partner und ich schnell lernen, dass es für Hannah kaum eine Rolle spielte, ob sie mit uns oder mit jemand Anderem unterwegs war. Bei Spaziergängen im Freilauf hat sie sich regelmäßig fremden Leuten angeschlossen und ist auch sonst eher ihrer Nase als Herrchen und Frauchen hinterhergelaufen. Verständlich. Im Tierheim kamen doch auch jeden Tag andere Leute, um mit Hannah spazieren zu gehen. Und während dieser kurzen, täglichen Ablenkung vom Tierheim-Alltag war es immer viel wichtiger, die eigenen Hundebedürfnisse zu erfüllen, als sich mit den ständig wechselnden Menschen am Ende der Leine auseinanderzusetzen.

Trotz intensiver Bindungsarbeit, der Unterstützung einer wundervollen Hundetrainerin, monatelangem Schleppleinentraining und einer stets liebevoll-konsequenten Erziehung war Hannah auch nach dem ersten Jahr ihres Zusammenlebens mit uns noch nicht bereit, ihre Eigenständigkeit ein Stück weit aufzugeben und uns vertrauensvoll zu folgen.

Heute ist sie etwas mehr als 2,5 Jahre alt und wir haben uns längst an ihr selbständiges und manchmal stures Wesen gewöhnt und wissen diese Wesenszüge in einigen Situationen sogar sehr zu schätzen. Dem kleinen Männchen in meinem Hinterkopf, das sich insgeheim immer noch eine engere Bindung zu unserem ansonsten unproblematischen und tollen Familienhund wünschte, hatte ich mittlerweile ein Pflaster über den Mund geklebt, um es zum Schweigen zu bringen.

Hannahs „Tour de Trekking-Vorbereitung“.

Zu dieser Zeit liefen die Vorbereitungen für unser Trekking in Schweden bereits auf Hochtouren. Dass unser Hund uns in all unseren Urlauben begleitet, ist keine Frage. Im Vorfeld unseres Trips auf dem südlichen Kungsleden haben wir wie üblich haufenweise Literatur gewälzt (unter anderem natürlich auch den Klassiker „Trekking mit Hund“), an unserer eigenen Fitness gefeilt, Erfahrungsberichte im Internet gelesen, die Wanderroute entsprechend ausgearbeitet und Packlisten erstellt und überarbeitet. Aber vor allem haben wir versucht, nach bestem Wissen und Gewissen mit Hannah zu trainieren. Wir waren das Wandern und Zelten bereits gewohnt – für Hannah sollte es jedoch die erste große Tour werden. Das Übernachten im Zelt hatte sie bereits ein paar Monate zuvor während eines langen Wochenendes in Rheinland-Pfalz kennengelernt, wo wir drei Nächte auf den legalen, kleinen Zeltplätzen des Projekts www.trekking-pfalz.de verbringen durften. Mit den zwei großen Trekkingrucksäcken und uns zwei Erwachsenen ist unser 2-Personen-Tunnelzelt in aller Regel bereits ziemlich ausgefüllt, daher war es nicht ganz einfach den richtigen Platz für unsere canide Mitreisende zu finden.

Das Lieblings-Quietschie ist immer mit dabei. 😉

Wir haben sie zuerst zwischen uns gelegt, mal am Fußende, mal weiter oben am Kopfende. Doch bei jeder unserer Bewegungen wurde sie nachts nervös, stand auf und wusste nicht mehr wohin mit sich. Irgendwann haben wir probiert, ob sie eher Ruhe findet, wenn sie an der Außenseite neben mir liegt, da ich mich im Schlaf deutlich weniger bewege als Hannahs Herrchen. Und tatsächlich, auf diesem Platz konnte sie die doch recht beengte Schlafsituation endlich stoisch ertragen und sich platzsparend auf ihrem kleinen Evazote-Quadrat zu einem „Husky-Donut“ zusammenrollen. Eine Decke braucht unser Husky-Mix selbstverständlich nicht.

Damit sie sich daran gewöhnt, über ganz verschiedene Untergründe (z. B. die wackeligen Holz- oder Gitterbrücken, die man in ganz Skandinavien findet) zu laufen, haben wir Hannah regelmäßig auf dem vereinsamten Spielplatz unserer Nachbarschaft auf die Wackelbretter geschickt oder sie z. B. im Duisburger Landschaftspark Nord oder unserem Duisburger Rheinpark über alle Gitter und Bootsstege laufen lassen.

Eine solide Kondition konnten wir uns alle gemeinsam im Canicross-Training bei Ingo Babbel antrainieren. Um Hannahs Pfotenballen zu stärken sind wir regelmäßig mit ihr (bevorzugt auf asphaltierten Wegen) Fahrrad gefahren. Und dann galt es natürlich noch, ihre Muskulatur aufzubauen, damit sie die täglich zu erwandernden Strecken problemlos bewältigen und dabei ihre RuffWear-Hundepacktaschen mit einem Teil ihres Futters (etwa 2,5kg; den Rest des benötigten Hundeproviants haben wir in unseren eigenen Rucksäcken verstaut) tragen würde. Da Hannahs Hundefutter leider nur in Deutschland vertrieben wird, war bereits vor Antritt der Reise klar, dass wir mehr als ihren normalen Nahrungsbedarf am Leib tragen müssen.

Rucksacktraining.

Lange Wandertouren mit Hunderucksack und einem stetig steigendem Packgewicht waren in dem halben Jahr unserer Vorbereitung an nahezu jedem Wochenende Selbstverständlichkeit. Zudem haben wir Hannah Schritt für Schritt an das Tragen einer Maulschlinge gewöhnt, um für alle Fälle gewappnet zu sein.

Maulschlinge, alter Freund. 😉

Und dann konnte es Anfang August endlich losgehen.

10 Tage im schwedischen Fjäll.

Wenn vom Fernwanderweg Kungsleden gesprochen wird, ist meist der nördliche Kungsleden gemeint, der zwischen Abisko und Hemavan verläuft und 440km umfasst. Sein etwas weniger bekannter und nicht so überfüllter Bruder ist der südliche Kungsleden, der auf einer Gesamtstrecke von 350km durch Mittelschweden verläuft und die Orte Storlien und Sälen per Wanderroute verbindet.

Wir hatten es uns nun zur Aufgabe gemacht, diesen südlichen „Königsweg“ von Norden nach Süden – genauer gesagt von Storlien nach Grövelsjön – zu laufen und somit etwa die Hälfte des Gesamtweges zurückzulegen.

Eine Übersicht der Etappen des gesamten, südlichen Kungsleden. (Bildquelle: http://www.fernwege.de/fileadmin/walk/schweden/kungsleden_sued/fern/s_kungsleden_karten_uebers.JPG)

Insgesamt hatten wir für den gesamten Urlaub 24 Tage veranschlagt, die Trekkingtour selbst sollte innerhalb dieser Zeit maximal 14 Tage umfassen. Die restlichen Tage dienten Anreise, Erholung und Abreise. Wir haben uns alleine für die etwa 1880km weite Anreise zum Startort Storlien bereits 5 Tage Zeit genommen. Das kann man natürlich auch schneller hinter sich bringen – aber wir wollten keinen Reisestress aufkommen lassen und haben daher die Reisezeiten in unserem PKW und später dann die Fahrten mit dem schwedischen Fernbus und der Bahn mit Übernachtungen auf Campingplätzen abgewechselt.

Doch dieser ganze Anreise-Marathon war von dem Moment an vergessen, in dem wir den nördlichen Kungsleden betraten. Da wir vor allen Dingen endlich mal wieder Abstand von unserem technisierten Alltag nehmen wollten, haben wir uns nur mit Karte und Kompass  auf den Weg gemacht und das GPS-Gerät zuhause gelassen. Ein voll aufgeladenes Mobiltelefon war zwar in den Tiefen des Trekkingrucksacks verstaut, diente aber nur der Absicherung für den Notfall, war abgeschaltet – und spielte fortan keine Rolle mehr.

Der erste Tag hielt bereits jede Menge Nebel, Sumpfgebiet und Holzplanken für uns bereit.

Tagsüber haben wir von nun an selten Menschen gesehen, während wir das überraschend abwechslungsreiche Hochfjäll der Provinz Jämtland durchwanderten – aber in der Nähe der großen Fjällstationen (man könnte sie auch „Berghotels“ nennen, denn sie verfügen über ein mehrköpfiges Personal und in aller Regel über 60 Schlafplätze oder mehr) war ab dem späten Nachmittag immer recht viel los.

Blåhammaren, eine der drei größeren Fjällstationen entlang des südlichen Kungsleden. Hier konnten wir uns alle aufwärmen. Hunde sind zwar in der Stube selbst nicht erlaubt, haben aber einen eigenen „Aufenthaltsraum“ im Eingangsbereich.

Je weiter wir jedoch gen Süden gewandert sind, desto einsamer wurde es. Auf der Strecke zwischen dem Gletscher Helags und Grövelsjön existieren keine Fjällstationen, sondern nur „stugas“, also Hütten mit maximal 8 Betten, die von einem einzelnen „stugvård“ bewirtschaftet werden.

Jeden Tag überquerten wir unterschiedliche Arten von Brücken. Keine war wie die andere. Und einige waren wenig vertrauenswürdig…

Vor allem die Begegnungen mit den einheimischen Wanderern (beispielsweise die beiden älteren Damen, die uns stolz eine volle Tüte mit Kantarell-Pilzen unter unsere Nasen gehalten haben, damit wir den typischen Geruch genießen sollten und die uns dann Ratschläge gaben, wie man diese Pilze besonders schmackhaft zubereiten kann…), und den immer freundlichen, auskunftsfreudigen und hin und wieder liebenswert-schrulligen Hüttenwarten haben uns das Gefühl gegeben, irgendwie besonders „nah dran“ zu sein. Wir durften mehrfach erleben, wie auffällig sparsam bzw. wenig verschwenderisch die naturverbundenen Schweden mit allem umgehen, was sie umgibt.

Glück gehabt. Nach einer 21km-Wanderung durch Dauerregen, bei der wir trotz Regenkleidung bis auf die Knochen nass geworden sind, erreichten wir frierend die völlig überfüllte Fjällstation Sylarna. Der Gedanke, nun bei strömendem Regen noch das Zelt aufzubauen, war wenig verlockend. Und dann bot uns einer der Hüttenwarte an, dass wir für kleines Geld im Zelttrockenraum schlafen könnten… Herrlich, so ein echtes Dach über dem Kopf. 🙂

Unsere Tagesetappen sollten gemäß unserer Planung immer mindestens 18km umfassen. Meist sind es jedoch wetterbedingt oder aufgrund von ungeeigneten Bodenverhältnissen (im Sumpf lässt sich schlecht zelten…) ein paar Kilometer mehr geworden. Die längste Tour war etwa 30km lang. Im Anschluss daran hatten wir zwar über die Hälfte des Weges in 4 Tagen geschafft, waren aber körperlich auch so gerädert, dass wir einen Pausentag einlegen mussten, um zu regenerieren.

An solch anstrengenden Tagen hat Hannah zusätzlich zu ihren gewohnten zwei Tagesrationen immer eine kleine, dritte Mahlzeit bekommen, um ihren erhöhten Energiebedarf zu decken. Da wir unseren ursprünglichen Zeitplan bereits unterboten hatten und auf keinen Fall die veranschlagten 14 Tage für die gesamte Tour brauchen würden, konnten wir Hannah guten Gewissens beifüttern.

Das Trockenfutter haben wir im Vorfeld mit einem Folienschweißgerät luftdicht verschlossen, die einzelnen Portionen in Hannahs Rucksack wurden dann nochmals zusammen in einer größeren Tüte verpackt, damit die Pellets bei Wasserdurchquerungen oder einem erfrischenden Bad im See auch wirklich nicht aufquellen würden. Und das Konzept hat funktioniert. Das Futter ist bis zum Ende der Tour knackig geblieben.

Durch die unglaubliche Weitsicht auf dem Fjäll konnten wir die regelmäßigen Wetterumschwünge gut beobachten und uns früh genug gegen Niederschlag wappnen.
Und ewig reizt das Ren…

In den Momenten, wenn Hannah in Jagdlust geriet, hätte ich sehr gerne meinen Canicross-Gurt am Leib getragen, um dem vorwärtsdrängenden, 19kg schweren Körper besser standhalten zu können, während der Trekkingrucksack auf meinem Rücken gleichzeitig sein Bestes tat, um mich zu Fall zu bringen. (Wer Hannah ein wenig kennt, mag gar nicht vermuten, dass sie auch tatsächlich ziehen kann – aber sie kann durchaus…). Die Rentiere, die allesamt domestiziert sind und Menschen nicht als Bedrohung empfinden, haben es uns da auch nicht leichter gemacht, indem sie nur wenige Schritte entfernt an uns vorbeitrabten, als seien wir nur unbedeutendes Beiwerk in der Landschaft.

Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir Hannah nie abgeleint haben, denn sie hat einen starken Jagdtrieb und ist nicht verlässlich abrufbar. In den Naturreservaten (und in denen bewegten wir uns zu 80% des Weges) ist es sowieso untersagt, Hunde ohne Leine zu führen – und die Samen haben das Recht, einen freilaufenden Hund auf ihrem Weideland zu erschießen, wenn sie ihn als Gefahr für ihre Rentiere einschätzen.

Auf dem Weg nach Süden. So langsam verlassen wir das Hoch- und Kahlfjäll. Leichter wird der Weg nicht, nur steiniger.

Den Hund nie abzuleinen war jedoch mitunter eine Herausforderung für unsere Geduld und unser Gleichgewicht. Vor allem dann, wenn wir (als die wenig grazilen Mensch-Rucksack-Klötze, die wir nunmal waren) Bäche kreuzen, über Geröllfelder klettern oder den richtigen Weg durch sumpfiges Gelände finden mussten und jeden Schritt genau berechneten – während Hannah elfengleich über die Steine flog, nie tief in Pfützen versackte und quasi mit „Allradantrieb“ unterwegs war. Erstaunlich, wie trittsicher und selbstverständlich Hunde den günstigsten Weg durch schwieriges Gelände finden. Im Interesse trockener Füße lohnte es sich oft, Hannah vorgehen zu lassen. Ihre Pfoten haben die gesamte Tour ohne Verletzungen oder Risse hinter sich gebracht. Einmal habe ich eine gerötete Hautstelle an ihrer Brust entdeckt, wo ein Gurt ihrer Packtaschen sie etwas gescheuert hatte. Damit die Stelle nicht richtig wund wurde, haben wir sie mit Traumeelsalbe (DAS Allheilmittel! Liebste Grüße an Mirjam Platzbecker!) eingerieben und am Folgetag habe ich ihren Rucksack komplett getragen. Von da an haben wir noch etwas besser darauf geachtet, die Gurte des Hunderucksacks regelmäßig von Sand und Matsch zu befreien. Hannah hat zudem immer gut gegessen und jede Pause zum Schlafen genutzt (typisch „Energiesparlampe“). Manchmal ist sie sogar schon eingeschlafen, bevor wir ihr den Rucksack abnehmen konnten.

Ob sie wohl von Lemmingen und Rentieren träumt, die ihr vom Wegesrand aus freiwillig ins Maul hüpfen?

Aber kein einziges Mal hat sie gejammert oder das Laufen verweigert. Sind wir weitergegangen, ist sie ebenfalls weitergegangen. Nachts hat Hannah noch nicht mal gebellt, wenn Rentiere um unser Zelt geschlichen sind und einige durchaus kuriose Geräusche von sich gegeben haben.

Unterhalb der Baumgrenze war es teilweise so schwül, dass Hannahs erstklassiges Huskyfell-Kühlsystem mit kaltem Wasser aktiviert werden musste.
Der südliche Kungsleden verläuft nicht nur durch Fjälllandschaft. Man durchquert auch immer wieder Waldgebiete – wie z. B. dieses verwunschene Wäldchen mit altem Birkenbaumbestand, in dem der Pfad fast durchgehend verwuchert und schwer zu erkennen war.
Die roten Waldameisen haben Hannah so schwer zu schaffen gemacht, dass sie sich irgendwann nicht mehr anders zu helfen wusste als sich samt Rucksack auf das nächste Kratzbeeren-Gestrüpp zu werfen und sich wie von Sinnen zu wälzen. Aber auch das hat nur kurze Linderung verschafft. Als sie dann auch noch anfing zu fiepen, haben wir so richtig Hackengas gegeben und gehofft, dass wir uns bei unseren Sprüngen über die großen und kleinen Steine nicht verletzen und dass die Ameisenstraße bald hinter uns liegen möge.
Keine Gnade für die Knie. Anstrengende Bergab-Passagen im Gebiet um den See Rogen.
Dort wo es sumpfig war, konnte man mit etwas Glück Moltebeeren sammeln. Gemeinsam mit den überall entlang des Weges wachsenden Blaubeeren waren sie eine leckere Abwechslung in unserem täglichen Haferflocken-mit-Milchpulver-Frühstück. Ich musste mich beim Sammeln allerdings beeilen – denn Hannah war ebenfalls völlig verrückt nach den orangen Beeren und zudem viel geschickter beim Aufspüren der Molte.
Unsere letzte Nacht auf dem Kungsleden verbrachten wir an einem kleinen See in der Nähe der Storrödtjärnstuga. Nachdem es abends schrecklich windig gewesen war und unser Zelt ein wenig an Spannung verloren hatte, kam Nebel auf und es kehrte plötzlich eine Stille ein, die ich so noch nie erlebt hatte. Der Nebel hat selbst das Gluckern des Wassers, das ans Seeufer schlug, völlig verschluckt.

Nach einem letzten, sehr anstrengenden Wandertag, bei dem alle Müdigkeit der vorangegangenen Tage über mich gekommen ist, erreichten wir am 10. Tag des Trekkings unser Ziel – die Fjällstation Grövelsjön in der Provinz Dalarna, wo wir zu einem schauerlich hohen Preis das letzte freie Zimmer abstaubten und den Luxus eines einfachen Hochbetts und einer Dusche (oh, wie sehr man nach so einer Tour warmes Wasser aus dem Hahn zu schätzen weiß!) genießen konnten, bevor wir am darauffolgenden Morgen die Busfahrt zu unserem Auto antraten. (Hannah hat das Auto übrigens so freudig schwanzwedelnd begrüßt, als wäre es ein lang vermisstes Familienmitglied.)

Wir haben durch die Erfahrungsberichte anderer Hundebesitzer bereits im Vorfeld davon gelesen und gehört, dass das Trekking mit Hund die Bindung des Mensch-Hund-Rudels noch mal intensiver werden lässt. Aber es dann tatsächlich zu erleben, ist doch etwas Besonderes gewesen.

Wir sind tatsächlich auf diesen 180km nochmal neu zusammengewachsen – und ich kann das noch nicht mal auf spezielle Situationen zurückführen, die wir während des Trekkings zu Dritt erlebt haben. Es ist einfach irgendwo entlang des Weges eine Veränderung eingetreten, die wir Menschen erst am Ende des Urlaubs mit Staunen wahrgenommen haben: Während der ersten Spaziergänge zuhause ist Hannah plötzlich im Freilauf so nah bei uns geblieben, wie noch nie zuvor. Statt anderer Hunde forderte sie nun uns zum Spielen auf und ging ihren Artgenossen aus dem Weg. Diese starke Fixierung hat sich natürlich inzwischen schon wieder etwas relativiert. Sie spielt auch wieder mit anderen Hunden und ihr Radius um uns herum hat sich „normalisiert“. Aber endlich wirft unser Hund uns die regelmäßigen Kontaktblicke zu, auf die wir so lange gewartet haben. Und tatsächlich orientiert sie sich mehr als je zuvor an uns, anstatt sich bei nächstbester Gelegenheit abzusetzen und ihr komplett eigenes Ding durchzuziehen. Sie wird nie ein Hund sein, der uns am Bein klebt – aber so ein Hund soll sie auch gar nicht werden. Es ist nur schön, zu sehen, dass sie sich endlich zu uns gehörig fühlt und wohl endlich richtig in unserem Rudel angekommen ist. 🙂

Im nächsten oder übernächsten Jahr möchten René und ich mal einen Einstieg ins Solo-Trekking probieren. D. h. jeder von uns zieht alleine los. Vielleicht fahren wir dazu in die Schweiz. Oder nach Österreich. Wir werden sehen. Eventuell wandern wir aufeinander zu und treffen uns dann irgendwann in der Mitte, das ist aber alles noch nicht spruchreif. Fest steht jedoch, dass Hannah meine Begleiterin sein wird.

Und ich freue mich schon darauf, was passieren mag, wenn wir Mädels zu Zweit unterwegs sein werden.

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Einen lieben Dank an all die tapferen Leser, die es bis zu diesen letzten Sätzen geschafft haben. Sich kurz zu fassen gehört wohl leider nicht zu meinen Stärken… Das Schreiben ist bei mir ein bisschen wie das Canicrossen mit Hannah: Es geht langsam vorwärts, die ganze Sache zieht sich in die Länge – aber wir nehmen dafür jedes Detail entlang der Strecke wahr. 😉

Ich danke dir, Peter Hummel, für dein Vertrauen! Du hast mir die Möglichkeit eröffnet ein kleines Puzzleteil zu diesem so großartigen Blog beitragen zu dürfen. Ich bin immer noch überrascht davon und glaube insgeheim nicht, dass ich dieser Ehre auch wirklich gerecht werden konnte. Trotzdem hoffe ich natürlich sehr, dass der Text den „content“ erfüllt, den du dir ursprünglich vorgestellt hast.

Und ich danke Hannah, der alten Nase. Ohne sie wäre mein und unser Leben um ein Vielfaches ärmer.

19 Kommentare


  1. Ha, endlich kann ich hier einen Kommentar schreiben… wollte ich schon die ganz Woche, aber die Technik war gegen mich.

    Danke für diesen tollen Bericht! Endlich mal jemand, der auch (wie wir) gerne Streckenwanderungen macht. Durch Skandinavien würd ich auch gern mal wieder und Dein Bericht macht Mut es zu versuchen.

    Wie oft habt Ihr gezeltet, wie oft in Hütten übernachtet? Und wieviel Futter hattet Ihr für Hannah mit, wie schwer waren Eure Rucksäcke? Würd das gern mal mit uns vergleichen.

    Und die wichtigste Frage: Wann und wohin führt die nächste Tour? 😉

    Liebe Grüße
    Rastu

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  2. Hi, Rastu!
    Vielen Dank für deine lieben Worte. Ich möchte dir die Antworten auf deine Fragen nicht vorenthalten. Also, here we go: Wir haben zweimal in einer gemütlichen „stuga“ geschlafen undeinmal in dem erwähnten Zelttrockenraum der Fjällstation. Zwei Übernachtungen davon haben sich durch übles Wetter ergeben, eine aus Lust und Laune. 🙂 Geplant war es ursprünglich, alle Nächte zu Zelten. Aber die Hütten waren einfach zu gemütlich und einladend. 😉 Wir hatten um die 3kg Trockenfutter dabei, von denen Hannah den Hauptteil geschleppt hat. René hat seinen Rucksack im Vorfeld vorsichtshalber mal nicht gewogen. 😀 Meiner hat anfangs rund 18kg auf die Waage gebracht.

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    1. Und das nächste Ziel steht noch ein wenig in den Sternen. 🙂 Wir finden die tschechische Grenze nicht uninteressant. Und die Grande Traversata delle Alpi reizt uns ebenfalls. 😉

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      1. Hi Judith,

        3 kg nur? Aber dann nur für die 10 Tage?
        Tschechische Grenze kann ich nur empfehlen, bin vor 2 Jahren von Zittau auf dem Gebirgskamm über die Böhmische in die Sächsische Schweiz gegangen – sehr schön. Und die Alpen sind auch immer wieder ein Traum..

        LG
        Rastu

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        1. Hej hej. 😀

          Wir hatten für insgesamt 14 Tage Wolfsblut TroFu am Mann bzw. am Hund. Hannah hat morgens immer eine kleine Portion und abends eine große Portion in Wasser gereicht bekommen. Insgesamt immer 220g pro Tag. Jede Portion war eine Mischung aus unserer normalen Sorte (Dark Forest) und einer Sorte für „besondere Leistungsträger“ (White Cloud Active). 😉 Da wir für die Tour am Ende ja keine 14 Tage benötigt haben, konnte Hannah an Tag 9 und 10 in den Genuss größerer Portionen kommen. Solche zusätzlichen „Sicherheits-Portionen“ werden wir für die nächste Tour auch wieder mit einplanen. Das gibt einfach ein besseres Gefühl.
          Cool, von deiner Tour an der tschechischen Grenze würde ich gerne mehr erfahren! Bist du bei Facebook?

          Liebe Grüße, Judith

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          1. Ja, bin ich. Du findest mich unter Rastu Rasmus 😉


  3. Aber das mit der Futtermenge ist schon spannend… meine Jack-Russell Hündin hat 6 kg. Und diesen Sommer in den Alpen hat sie in 20 Tagen 2 kg Trofu weggehauen – plus ungezählte kleine Butterpäckchen, Wurstzipfel, Wienerle vom Schlachter, mal im Tal gekaufte billige Dosenfutter.
    Das Futter ist Bosch Trofu für ph…. ist alle, keine Ahnung wie es genau heisst, aber auch für Leistungsträger.

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  4. Hallo, sehr schöner Bericht, danke.
    Wir wollen Ende September auch mit unserem Hund auf dem südlichen Kungsleden losziehen, er hat auch schon Wandererfahrung.

    Was ich noch nicht zufriedenstellen herausfinden konnte: Wie habt Ihr das mit dem Auto gemacht?
    Wo habt Ihr das Auto geparkt und wie seid Ihr von dort zum Start- und Endpunkt gekommen?
    Busse scheint es ja kaum zu geben und die Verbindungen dauern etliche Stunden…

    Vielen Dank und Grüße
    Hountje

    Antworten

    1. Wir durften das Auto gegen eine kleine Gebühr auf dem Campingplatz in Mora parken und sind dann mit dem Bus und der Bahn zum Startpunkt Storlien gefahren. Die Busfahrt hat tatsächlich mehrere Stunden gedauert, da hast du Recht.

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  5. Hallo! Vielen Dank für den tollen Bericht!

    Ich plane diesen Sommer ebenfalls mit meiner Hündin den südlichen Kungsleden zu wandern und bin schon fleißig am planen. Ich hätte da noch ein paar Fragen:

    Könntest du bitte noch genauer eure Anreise beschreiben? Bis wo seid ihr mit dem Auto gefahren? Und wo habt ihr es abstellen können?

    Brauchtet ihr für die Buss-/Zugfahrten einen Maulkorb für Hannah?

    Ganz liebe Grüße
    Ulrike

    Antworten

    1. Wir sind mit dem Auto bis Mora gefahren. Den Wagen durften wir auf dem großen Campingplatzgelände von „Mora Camping“ parken, gegen eine entsprechende Tagesgebühr. Mora ist eine relativ große Stadt, von dort fahren regelmäßig Busse und auch Schienenverkehr in alle Richtungen.

      Wir hatten eine Maulschlinge (leider keinen Maulkorb, damals wusste ich es noch nicht besser…) für Hannah dabei, für den Fall dass der Busfahrer darauf bestanden hätte… Aber zum Glück hat niemand von uns verlangt, dass wir ihr die Schlinge anziehen sollen.

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  6. Ich bin vor einigen Jahren auch auf dem Kungsleden gewandert, allerdings hatte ich da noch keinen Hund dabei.
    Mittlerweile, seit 10Monaten bin ich auf meinen Lupo stolz, ein GoldenRetriever Ruede der schon 37kg.auf die Waage bringt. Ich plane bereits meine erste groessere Tour hier im Trentino/Suedtirol.Ich wohne ideal in der Naehe der Brenta-Gruppe.!
    Liebe Gruesse
    Franz!

    Danke fuer diesen schoenen Bericht und fuer die tollen Fotos ! und natuerlich fuer die tolle Heimseite Pfotenlaeufer!!

    Antworten

  7. Hallo,

    vielen Dank auch von mir! Sehr interessant und hilfreich!

    Der Frage von Ulrike kann ich mich nur anschließen.

    Anreise mit dem Schiff (Kiel – Oslo) ist ja für den Hund nicht wirklich ideal, wenn er 18 Stunden im Auto sitzen müsste.

    Liebe Grüße
    Gregor

    Antworten

    1. Hi, Gregor.

      Wir haben uns für die Anreise zum Startort Storlien 5 Tage Zeit genommen und haben Übernachtungsmöglichkeiten entlang des Anfahrtsweges benutzt. Am ersten Anreisetag sind wir insgesamt etwa 10 Stunden (mit Pausen alle 3 bis 4 Stunden) gefahren, um zu unserer ersten Zwischenstation in Unnaryd anzukommen. Dort haben wir dann 2 Erholungsnächte auf einem schönen, kleinen Campingplatz (Vallsnäs Camping) verbracht. Von Unnaryd bis Mora sind wir dann nochmal etwa 6 Stunden gefahren. Und vor der langen Bus- und Bahnfahrt von Mora nach Storlien haben wir noch einen Pausentag in Mora eingelegt.

      Hannah fährt sehr gerne und gut Auto, ihr wird nicht schlecht und sie ruht oder schläft die meiste Zeit im Kofferraum. Das ist sicher nicht für jeden Hund passend. Mittlerweile haben wir selbst einen Zweithund, der einen deutlich höheren Bewegungsdrang hat – mit ihm wären dermaßen lange Autofahrten deutlich schwieriger und wir werden in Zukunft anders planen. Nähere Urlaubsziele… Mehr Zwischenstopp-Tage bei längeren Anreisen… Reiseplanung eher nach dem Rundreise-Prinzip… Kürzere Weitwanderstrecken… Vermutlich wird es eine Mischung aus diesen Optionen. 🙂

      Liebe Grüße, Judith

      Antworten

  8. Hallo

    Also mein aussieht Cooper, mein Freund und ich werden uns Anfang Juli den nördlichen kungsleden annehmen ..
    Ich bin jetzt schon dankbar für den ein oder anderen Tipp von dir den ich gelesen habe 🙂

    Besonders aber hat es mich bewegt wie du die Veränderung eueres „Rudels “ beschrieben hast .. Wie Hannah sich such verändert hat

    Ich freue mich auch mit meinem tierischen besten Freund noch ein Stück enger zu werden

    Vielen Dank für die Niederschrift eurer Erlebnisse
    Es war mir ein Fest es zu lesen ..
    Lg Angela Und aussie Cooper

    Antworten

    1. Danke, Angela. Deine Worte freuen mich wirklich sehr. 🙂 Ich wünsche dir und Cooper ganz viel Spaß auf dem Kungsleden und bei all euren weiteren Unternehmungen.
      Alles Liebe und beste Grüße, Judith

      Antworten

  9. Hey ihr lieben,
    ich bin total begeistert von eurem Bericht!!!!
    Bin im letzten Jahr in Deutschland den Weserberglandpfad gelaufen, nur Zelt und Hund und los. Total zu empfehlen, alle auf der Strecke haben uns für verrückt erklärt, da die anderen mit Fahrrad oder Kanu die Gegend „bereisen“. Dachte erst es gibt nur Forstwege, aber da is so einiges einsam. Sicherlich nicht so viel wie in Schweden.
    Euren Trip möchte ich gerne auch machen, allein weil man dort überall zelten darf(!) und seine Ruhe hat hoffentlich…

    Wünsche euch viel spaß mit dem Zuwachs und euren nächsten Touren.

    P.S. wir haben unsere Hündin(WindhundMix) letztes Jahr verloren an den Krebs, aber dieses Jahr schon wieder einen Neuzugang(Huskymix) der is wetterfester;) sieht aus wie eure, nur fünf kilo mehr:)

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  10. Übrigends…
    Habe bei den Taschen von Ruffwear an die zwei Brustgurte vorne selber noch mit Plüschgarn einen Schutz gegen Reibung gebastelt. Hilft super, einfach 12 bis 15 Maschen plus 15 bis 20 reihen.
    Falls das hier hilft…

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  11. Ich habe diesen Sommer einen Monat lang frei und möchte mit meinem Mischlingsrüden Nemo eine Fernwanderung machen. Weiß jemand ob ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln – und als „Fusspassagierin“ auf der Fähre – gut nach Schweden komme?
    Welche Erfahrungen habt Ihr mit Mücken gemacht? Die soll es da ja auch zahlreich geben..
    Nemo läuft überall unproblematisch mit, nur auf Gitter-Untergründen (Treppen, Brücken) traut er sich nicht. Wie kann ich das mit ihm üben?
    Würde mich über eine Antwort freuen!

    Antworten

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